„Indem wir nicht verhandelt haben, haben wir die Entscheidung über die russischen Sicherheitsinteressen der Kriegslösung überlassen.“

Aktuelles
, 27. Mai 2025

Ein Abend mit Michael von der Schulenburg im Bremer Haus der Wissenschaften

Im Rahmen des Programmes seiner Sechsten Deutsch_Russischen_Friedenstage hatte der Verein Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e.V. Michael von der Schulenburg für den 23.05.2025 als Referenten zur Einschätzung aktueller Friedenschancen im Ukraine – Russland – Konflikt eingeladen. (siehe auch https://deutsch-russische-friedenstage.de)

Michael von der Schulenburg – über 30 Jahre Diplomat für den Frieden in der Welt, Leiter von UN-Friedensmissionen, parteiloser Abgeordneter des EU-Parlamentes für das BSW – begründet in seinen Artikeln und Vorlesungen leidenschaftlich und überzeugend die Notwendigkeit von Diplomatie und Kommunikation im Konflikt- bzw. Kriegsfall. (siehe auch https://michael-von-der-schulenburg.com)

Mehr als 150 Zuhörer folgten im bis auf den letzten Platz besetzten Olbers-Saal dem Vortrag von der Schulenburgs zum Thema: UN-Charta, EU und multipolare Weltordnung.

Hier eine inhaltliche Zusammenfassung seiner Ausführungen.*

Zu den Ursachen des Krieges

Indem wir nicht verhandelt haben, haben wir die Entscheidung über die russischen Sicherheitsinteressen der Kriegslösung überlassen. Die russischen Interessen bestanden nicht in der Einverleibung der Ukraine oder einem Angriff auf die westeuropäische Demokratie, sondern darin, dass die Ukraine kein weiteres NATO-Mitglied wird, dass keine NATO-Truppen an den Grenzen zu Russland stehen, dass Russland weiterhin einen Zugang zum Schwarzen Meer hat und es ging um den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine. Dabei hatte Russland zunächst nicht Gebietsgewinne im Sinn, sondern die Autonomie dieser Gebiete sowie die Gleichberechtigung der russischen Sprache, wie Selensky es vor seiner Wahl 2019 versprochen hatte. Er wurde im 2. Wahlgang von 70% der Menschen in der Ostukraine gewählt, weil er Frieden im Donbass machen wollte, brach dann aber dieses Wahlversprechen und ließ den Donbass mit Raketen beschießen.

Die russischen Gebietsgewinne kamen erst, nachdem der Westen die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine im März 2022 torpediert hatte.

Istanbuler Kommuniqué vom 29.03.2022

Russen und Ukrainer hatten sich zusammengesetzt. Die Ukraine hatte ein 10-Punkte-Programm vorgelegt, eine Glanzleistung der ukrainischen Diplomatie (Wortlaut des Programmes siehe u.a. https://www.emma.de/artikel/ukraine-frieden-war-greifbar-340721 ) Russland hatte das Programm akzeptiert. Auf einem Sondertreffen der NATO am 24.03.2022 entschieden die Vertreter der Mitgliedsländer, dass es keine Verhandlungen geben sollte, bevor Russland nicht ganz abgezogen war. Man wusste ganz genau, dass diese Forderung für Russland unannehmbar war und hatte sie gestellt, weil man keine Verhandlungen wollte. Dies war keine Entscheidung im Interesse der Ukraine und von dieser auch nicht gewollt. Denn die Umsetzung des ukrainischen Programmes hätte für das Land keine Gebietsverluste bedeutet. Noch am 27.03.2022 widersprach Selensky in einem Interview der NATO-Position und lobte die Verhandlungen. Wir wissen alle, was dann kam: Nach einem Überraschungsbesuch von Boris Johnson in Kiew brach die Ukraine die Verhandlungen ab.

Bruch der UN-Charta (Wortlaut siehe https://unric.org )

Der Westen hatte Selensky abbrechen lassen und damit auch die UN-Charta gebrochen.
Der Grundgedanke der UN-Charta ergab sich 1945 bei ihrer Begründung aus den Erfahrungen zweier Weltkriege: „Nie wieder Krieg!“.193 Staaten unterzeichneten diese Übereinkunft. Konflikte wird es immer geben, aber man muss mit dem Feind reden. Daraus ergibt sich die Frage: „Hätte dieser Krieg durch Verhandlungen verhindert oder schnell beendet werden können?“, die mit einem klaren JA beantwortet werden muss. Der Westen, allen voran die NEOCONS in den USA, wollte diesen Krieg. Russland sollte geschwächt und klein gemacht werden, mit seinem Rohstoffreichtum abhängig vom Westen und diesem unterlegen sein. Das Land, das als Mittel zum Zweck in diesem Stellvertreterkrieg benutzt wird, ist die Ukraine.

Wo stehen wir jetzt in diesem Krieg?

Das Land, das betrogen wurde, ist die Ukraine. Sie wird in den Untergang getrieben. Die Ukraine ist militärisch unterlegen. Sie wird ausgeblutet und entvölkert. 20 % des Territoriums hat sie verloren. Daraus ergibt sich eine große Instabilität und ein großer Impakt auf die Menschen durch den Verlust, die Verstümmelung, die Traumatisierung ihrer Familienmitglieder. Empathielos sind die, die immer wieder Waffen schicken. Offensichtlich wissen sie nicht, was Waffen anrichten. Als zweitgrößter Waffenlieferant ist Deutschland mitverantwortlich für die Situation der Ukraine. Wir können den Ukrainern nur helfen, wenn wir mit Russland verhandeln. Mit der Ablehnung der Verhandlungen richten wir die Ukraine zugrunde.

Im Dezember/Januar 24/25 sind wir ganz dicht an einem Nuklearkrieg vorbeigeschlittert. Amerikanische Soldaten, denn nur sie sind in der Lage dazu, hatten nach der Freigabe durch Präsident Biden von ukrainischem Territorium aus Russland mit ATACMS beschossen. Zum Glück war Trump gewählt worden und Putin hielt sich mit einer Antwort zurück, weil Trump schon die Fühler ausgestreckt hatte.

Paradigmenwechsel durch Präsident Trump, Irrationalität in der EU

Die USA passen sich den neuen Gegebenheiten an, was einen totalen Bruch mit den NEOCONS bedeutet. Der Regierung Trump ist der Krieg zu teuer. Trump sprach aus, worum es in diesem Krieg wirklich geht und strafte damit das Gerede von der Verteidigung der „wertebasierten Ordnung“ gegen einen gierigen Diktator und die Mär vom „unprovozierten Krieg“ Lügen. Er hat den Kernpunkt des Krieges, die Missachtung der Sicherheitsinteressen Russlands durch die Ausweitung der NATO auf die Ukraine, gefunden. Damit wird die Verlogenheit unter Sozialdemokraten, Sozialisten, Linken, Christen und Grünen in der EU deutlich, die immer noch an Waffenlieferungen festhalten und immer neue Sanktionen gegen Russland beschließen, die letztendlich den EU-Staaten auf die Füße fallen. Russland konnte seinen Platz im Ranking der Industrienationen trotz Krieg und Sanktionen verbessern, von Platz 6 auf 4.

Blick in die Zukunft

Die EU erbt von den USA die Ukraine, das riesige schwarze Loch, das Trilliarden kosten wird, während die USA mit Russland handelt. Europa bekommt die Rechnung in Form von Flüchtlingen, Wiederaufbau und Subventionen, wenn die Ukraine in die EU kommt. Der Ukrainekrieg ist der Untergang Europas, weil Europa irrational handelt und nicht verhandelt. Die ausufernden Kosten und der Verzicht auf den Handel mit Russland bringen Europa Deindustrialisierung, Sozialabbau, Rentenabbau. Diese Misere begünstig das Erstarken rechter Parteien.

Der Ukraine-Krieg beschleunigt die Umgestaltung der Welt hin zur Multipolarität. Die 500jährige Vormachtstellung des Westens geht zu Bruch. Unsere 10% Wirtschaftsleistung können die Weltwirtschaft nicht mehr dominieren. Die BRICS-Staaten treffen sich während des Krieges unter Putins Vorsitz in Russland. Regierungsvertreter von 39 Ländern kommen zum Staatsbesuch zu den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges nach Moskau, während Merz Raketen auf Moskau schießen will. Europa sollte in seinem eigenen Interesse stark am Frieden und an guten Beziehungen zu Russland interessiert sein. Die Russen brauchen uns nicht mehr. Sie wenden sich China und Indien u.a. zu.

Verhandlungen

Keine Verhandlungen begannen jemals mit einem Gipfeltreffen. Es gibt keinen Waffenstillstand ohne die Anerkennung grundsätzlicher Interessen beider Parteien und diesbezüglicher Übereinkünfte. Anfangsverhandlungen werden von Parlamentären gemacht. Deshalb ist das geforderte Treffen von Putin und Selensky zu einem so frühen Zeitpunkt nicht zielführend.

Allerdings ist das Vertrauen auf dem Gefrierpunkt, weil sich die EU irrational verhält. Russland ist ein gebranntes Kind nach mehreren Vertragsbrüchen durch den Westen und muss befürchten, dass die Abmachungen mit Trump hinfällig sind, wenn dieser nicht mehr Präsident ist. Wegen dieser Irrationalität der EU wurde der Austausch zwischen Trump und Putin zunächst auf Eis gelegt. Trump versucht, die EU ins Boot zu holen. Die Verhandlungen gehen weiter. Das Geschrei in den Medien ist unnötig.
Kriegsgeschrei der EU

Merz sprach davon, die stärkste konventionelle Armee Europas aufstellen zu wollen. Unser neuer Außenminister erklärte: „Russland wird für immer unser Feind sein.“, ein erneuter Ausbruch des nun schon fast 100jährigen Russenhasses hierzulande. Unsere Politiker und Medien verhalten sich wie in einem Land im Krieg. Der Krieg muss verteidigt werden. Aber warum? Russland hat keine Kapazitäten für einen Angriff auf Europa. Europa ist dreifach überlegen. Nach weiterer Aufrüstung unter dem 5%-Diktat wäre es 5fach überlegen. Die einzige Möglichkeit Russlands, auf die militärische Übermacht Europas zu reagieren wäre atomar. Es ist beängstigend, wie unsere irrational handelnden Politiker unser Leben riskieren, indem sie von Raketenangriffen auf Russland schwadronieren.

Fazit

Wir können die Ukraine und Europa nur retten, wenn wir mit Russland verhandeln. Wir fallen der Ukraine damit nicht in den Rücken. Die Interessen Moskaus und Kiews sind gleichermaßen wichtig. Es geht nicht darum, Russland zu verteidigen. Sanktionen und Waffen sind weder im Interesse Europas noch der Ukraine.

*Die inhaltliche Zusammenfassung erfolgte durch Ilka Müller auf Basis der Mitschrift während des Vortrages.

 

Auch interessant

30 Juni

Sechs Punkte für Vernunft, Gerechtigkeit und Frieden

Aktuelles – Der neue Kurs des BSW – beschlossen am 29. Juni 2025 Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat auf seiner Klausurtagung mit Landesvorsitzenden und Europaabgeordneten einen wegweisenden Sechs-Punkte-Plan verabschiedet. Er macht unmissverständlich klar: Das BSW ist die politische Kraft des Aufbruchs – gegen Militarismus, soziale Spaltung und autoritäre Bevormundung. In einer Zeit, in der die sogenannte…

25 Juni

ArcelorMittal bremst Zukunft aus – Beschäftigte brauchen Sicherheit statt Konzern-Taktik 

Aktuelles – PRESSEMITTEILUNG Bündnis Sahra Wagenknecht – Landesverband Bremen Bremen, 25. Juni 2025  ArcelorMittal bremst Zukunft aus – Beschäftigte brauchen Sicherheit statt Konzern-Taktik Der Rückzug von ArcelorMittal aus dem geplanten Umbau des Bremer Stahlwerks zu „grünem Stahl“ ist ein harter Schlag für die Region, die Beschäftigten und den Industriestandort Bremen. Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel –…

14 Juni

Strategieworkshop 2025 im KUNZ: BSW Bremen stellt die politischen Weichen für 2027

Aktuelles – Mit voller Energie in die Programmphase zur Bürgerschaftswahl Am 14. Juni 2025 hat der Landesverband des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Bremen zum großen Strategieworkshop ins KUNZ Kulturzentrum eingeladen – mit überwältigender Resonanz: Rund 45 engagierte Mitglieder und Unterstützerinnen und Unterstützer kamen zusammen, um die programmatische Grundlage für eine soziale, gerechte und friedensorientierte Landespolitik zu legen.…

13 Juni

Aufruf zur Protestkundgebung: Stoppt den Völkermord in Gaza!

Aktuelles – „Stoppt den Völkermord, das Aushungern und die Vertreibung der Palästinenser!“ Unter diesem Motto ruft ein Bündnis verschiedener Gruppen zu einer Protestkundgebung am kommenden Samstag auf der Straße des 17. Juni in Berlin auf. Das BSW ruft seine Mitglieder und Sympathisanten auf, diese Kundgebung zu unterstützen. Die Kundgebung fordert zu Recht einen Stopp der Waffenlieferungen nach…

  • 30 Juni Sechs Punkte für Vernunft, Gerechtigkeit und Frieden

    Aktuelles Der neue Kurs des BSW – beschlossen am 29. Juni 2025 Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat auf seiner Klausurtagung mit Landesvorsitzenden und Europaabgeordneten einen wegweisenden Sechs-Punkte-Plan verabschiedet. Er macht unmissverständlich klar: Das BSW ist die politische Kraft des Aufbruchs – gegen Militarismus, soziale Spaltung und autoritäre Bevormundung. In einer Zeit, in der die sogenannte…

  • 25 Juni ArcelorMittal bremst Zukunft aus – Beschäftigte brauchen Sicherheit statt Konzern-Taktik 

    Aktuelles PRESSEMITTEILUNG Bündnis Sahra Wagenknecht – Landesverband Bremen Bremen, 25. Juni 2025  ArcelorMittal bremst Zukunft aus – Beschäftigte brauchen Sicherheit statt Konzern-Taktik Der Rückzug von ArcelorMittal aus dem geplanten Umbau des Bremer Stahlwerks zu „grünem Stahl“ ist ein harter Schlag für die Region, die Beschäftigten und den Industriestandort Bremen. Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel –…

  • 14 Juni Strategieworkshop 2025 im KUNZ: BSW Bremen stellt die politischen Weichen für 2027

    Aktuelles Mit voller Energie in die Programmphase zur Bürgerschaftswahl Am 14. Juni 2025 hat der Landesverband des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Bremen zum großen Strategieworkshop ins KUNZ Kulturzentrum eingeladen – mit überwältigender Resonanz: Rund 45 engagierte Mitglieder und Unterstützerinnen und Unterstützer kamen zusammen, um die programmatische Grundlage für eine soziale, gerechte und friedensorientierte Landespolitik zu legen.…

  • 13 Juni Aufruf zur Protestkundgebung: Stoppt den Völkermord in Gaza!

    Aktuelles „Stoppt den Völkermord, das Aushungern und die Vertreibung der Palästinenser!“ Unter diesem Motto ruft ein Bündnis verschiedener Gruppen zu einer Protestkundgebung am kommenden Samstag auf der Straße des 17. Juni in Berlin auf. Das BSW ruft seine Mitglieder und Sympathisanten auf, diese Kundgebung zu unterstützen. Die Kundgebung fordert zu Recht einen Stopp der Waffenlieferungen nach…

Sie haben Fragen?

Welche inhaltlichen Positionen vertritt die neue Partei? Wie kann ich das BSW unterstützen? Wie kann ich Unterstützer oder Förderer werden und was ist der Unterschied? Sicher haben Sie viele Fragen. Wir haben versucht, einen Großteil Ihrer möglichen Fragen zu beantworten und leiten Sie hierzu auf die Website der Bundespartei weiter.

Zu den FAQ