
Bremen zwischen Armut, Aufrüstung und Aufbruch
,Programmatische Grundhaltung und regionale Verantwortung
Der kürzlich in der Berliner Zeitung erschienene Gastbeitrag von Alexander King, John Lucas Dittrich und Stefan Roth skizziert die programmatische Grundhaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): soziale Gerechtigkeit, friedliche Außenpolitik und wirtschaftliche Vernunft im Sinne der breiten Mehrheit. Diese Grundprinzipien bilden auch für den Bremer Landesverband den festen politischen Kompass.
Zwar bietet diese Haltung bundesweit Orientierung – insbesondere im Osten, wo sie vielfach als klare Gegenposition zu einem entgleisten Neoliberalismus verstanden wird –, doch zeigt sich zugleich: Politische Wirksamkeit bemisst sich auch an der Fähigkeit, regionale Unterschiede ernst zu nehmen. Gerade in Bremen treten Herausforderungen zutage, die in dieser Form eher für westdeutsche Großstädte typisch sind.
Das Bundesland Bremen steht exemplarisch für strukturell verfestigte Armut, massive soziale Ungleichheit, ein chronisch unterfinanziertes Bildungssystem sowie den ambivalenten Status als traditionsreicher Industrie- und Rüstungsstandort. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines eigenständigen politischen Ansatzes, der die Bremer Realität nicht nur anerkennt, sondern in konkrete, passgenaue Lösungen übersetzt – stets im Einklang mit der gemeinsamen programmatischen Grundausrichtung.
Bremen im sozialen Ausnahmezustand: Die höchste Armutsquote Deutschlands
Bremen weist mit 25,9 Prozent die höchste Armutsquote aller Bundesländer auf – weit über dem Bundesdurchschnitt von rund 16,8 Prozent. Besonders dramatisch ist die Lage bei Kindern: Laut Paritätischem Armutsbericht wächst fast jedes dritte Kind (31,7 Prozent) in Bremen in Armut auf. Diese Zahl ist nicht nur eine sozialpolitische Anklage – sie ist ein Warnsignal für die Zukunftsfähigkeit der Stadt.
In Quartieren wie Gröpelingen, Tenever oder Huchting manifestiert sich diese Realität in überfüllten Kitas, maroden Schulen, überlasteten sozialen Diensten und fehlenden Perspektiven für viele junge Menschen. Armut ist hier kein statistischer Wert – sie prägt das tägliche Leben.
Diese Zustände sind nicht vom Himmel gefallen. Sie sind Ergebnis jahrzehntelanger politischer Versäumnisse, sozialer Fehlentwicklungen und einer Politik, die zu oft an Symptomen herumdoktert, statt Ursachen zu beheben. Wer soziale Spaltung ernsthaft bekämpfen will, muss strukturell ansetzen – bei Bildung, Wohnraum, Arbeit und kommunaler Infrastruktur.
Es braucht endlich einen Kurswechsel, der diesen Zustand nicht länger verwaltet, sondern ihn überwindet: eine armutsfeste Grundsicherung, massive Investitionen in sozialen Wohnungsbau, gezielte Förderung benachteiligter Stadtteile – und eine Wirtschaftspolitik, die wieder den Menschen dient, nicht nur Kennzahlen.
Bildung als Schlüssel zur sozialen Gerechtigkeit – und als Dauerkrise
Im bundesweiten Vergleich schneidet Bremen auch im Bildungsbereich kontinuierlich schlecht ab. Die Ergebnisse der PISA-Studien zeigen: In kaum einem anderen Bundesland hängt der Bildungserfolg so stark vom Elternhaus ab wie hier. Schlechte Ausstattung, sanierungsbedürftige Schulgebäude und ein eklatanter Mangel an Fachpersonal prägen den Bildungsalltag.
Bildung ist nicht nur ein individueller Schlüssel zum sozialen Aufstieg, sondern eine gesamtgesellschaftliche Investition in die Zukunftsfähigkeit Bremens. Wenn der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft abhängt, verfestigen sich Ungleichheiten und verhindern Chancengleichheit. Nur durch nachhaltige Verbesserungen können wir sicherstellen, dass alle Kinder und Jugendlichen – unabhängig von ihrem Hintergrund – die nötigen Voraussetzungen erhalten, um ihr Potenzial zu entfalten und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Eine echte Bildungsoffensive ist überfällig. Sie muss Schulgebäude sanieren, Klassen verkleinern, pädagogisches Personal aufstocken und digitale Infrastruktur bereitstellen. Bildung muss von der Kita bis zur Hochschule kostenfrei sein – nicht nur als Prinzip, sondern als gelebte Realität.
Wirtschaftliche Vernunft statt Aufrüstungspolitik – für ein soziales Bremen
Bremen ist bis heute ein zentraler Standort der deutschen Rüstungsindustrie. Während Milliarden in die Produktion von Fregatten, Lenkwaffen oder Satellitentechnologie fließen, fehlen öffentliche Mittel in Kitas, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Dieser Widerspruch ist Ausdruck einer politischen Schieflage – und er gefährdet langfristig den sozialen Frieden in der Stadt.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht steht für eine friedensorientierte, zivile Wirtschaftspolitik. Wir fordern die schrittweise Umstellung von Rüstungsproduktion auf zukunftsfähige, zivile Industriearbeitsplätze – flankiert durch staatliche Förderung, Umschulungen und gezielte Strukturförderung. Das Know-how der Bremer Industrie darf nicht länger dem Wettrüsten dienen, sondern muss in Klima- und Infrastrukturtechnologien investiert werden.
Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik muss dabei auch die sozialen Folgen des Wandels in den Blick nehmen. Beschäftigte in traditionellen Industriezweigen brauchen verlässliche Perspektiven, Weiterbildungsmöglichkeiten und Unterstützung beim Übergang in neue Arbeitsfelder. Nur so kann der soziale Zusammenhalt gewahrt und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit Bremens gestärkt werden.
Auch der Bremer Mittelstand kämpft angesichts globaler Krisen, Inflation und Energiepreisschocks ums Überleben. Eine aktive Industriepolitik, gezielte Innovationsförderung und verlässliche Rahmenbedingungen sind essenziell, um Arbeitsplätze zu sichern und die industrielle Substanz der Stadt zu erhalten.
Migration gestalten – Integration ermöglichen
Bremen steht wie viele Großstädte vor großen integrationspolitischen Herausforderungen. Integration scheitert, wenn es an Wohnungen, Sprachkursen, Ausbildungsplätzen und sozialer Begleitung fehlt. Wer Integration will, muss sie ermöglichen – mit finanzieller Ausstattung, gut organisierten Programmen und einer Steuerung der Zuwanderung, die Überforderung verhindert und Zusammenhalt wahrt. Es braucht eine ehrliche Debatte, die sowohl humanitären Verpflichtungen als auch sozialen Realitäten gerecht wird.
Gelingende Integration erfordert dabei mehr als nur kurzfristige Maßnahmen. Es braucht eine langfristige Strategie, die Migrantinnen und Migranten als aktive Gestalter der Gesellschaft begreift und ihnen gleiche Chancen auf Bildung, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet. Nur durch konsequente Investitionen in Sprachförderung, berufliche Qualifikation und interkulturellen Austausch kann ein dauerhafter gesellschaftlicher Zusammenhalt entstehen.
Zugleich müssen auch die strukturellen Bedingungen verbessert werden, die Integration erschweren: bezahlbarer Wohnraum, eine gerechte Verteilung von Ressourcen in den Stadtteilen und die Bekämpfung von Diskriminierung sind zentrale Voraussetzungen. Eine erfolgreiche Integrationspolitik verbindet somit gesellschaftliche Offenheit mit klaren politischen Rahmenbedingungen und einer solidarischen Gemeinschaft, die Vielfalt als Chance begreift.
Für eine Politik der Mehrheit – statt symbolischer Debatten
Während sich die rot-grün-linke Landesregierung immer wieder in identitätspolitischen Stellvertreterkonflikten verliert, wird die Lebensrealität der breiten Mehrheit übersehen: die Menschen, die morgens aufstehen, arbeiten, Kinder erziehen, Angehörige pflegen – und dabei immer häufiger an soziale und finanzielle Grenzen stoßen.
Auch in Bremen wächst das Gefühl politischer Entfremdung. Viele Bürgerinnen und Bürger erleben, dass ihre Sorgen in politischen Debatten keine Rolle spielen. Gleichzeitig beobachten wir eine schleichende Einschränkung der Meinungsfreiheit – eine demokratiegefährdende Entwicklung, die eine offene Debattenkultur zunehmend ersetzt durch moralische Ausgrenzung und politischen Konformitätsdruck.
Es ist deshalb dringend notwendig, den Blick wieder auf die konkreten Bedürfnisse und Herausforderungen der Mehrheit zu richten. Politik muss sich an den Lebensrealitäten der Menschen orientieren, statt sich in symbolischen Konflikten zu verlieren. Nur so kann Vertrauen in demokratische Prozesse gestärkt und gesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert werden.
Bremen braucht Mut zur sozialen Wende
Die Herausforderungen Bremens sind enorm – aber lösbar. Die programmatische Grundhaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht liefert den Rahmen für eine gerechtere, friedlichere und wirtschaftlich vernünftige Politik. Was fehlt, ist der politische Wille zur Umsetzung – mutig, regional angepasst und im Sinne der Mehrheit.
Bremen braucht einen Kurswechsel, der die soziale Frage wieder ins Zentrum rückt. Es geht nicht um Parolen, sondern um Perspektiven. Nicht um Schlagworte, sondern um Lösungen. Wo Wagenknecht draufsteht, muss auch echte soziale Politik drin sein.
Dieser Wandel erfordert nicht nur neue politische Konzepte, sondern auch die Bereitschaft, alte Machtstrukturen zu hinterfragen und umzusteuern. Nur durch eine entschlossene, solidarische Politik kann es gelingen, die Lebensbedingungen für alle Menschen nachhaltig zu verbessern und die Stadt zukunftsfähig zu machen.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht füllt bundesweit eine politische Lücke – und auch in Bremen wächst die Bewegung, die klare Antworten auf soziale Ungerechtigkeit, wirtschaftliche Unsicherheit und gesellschaftliche Spaltung bietet. Wir stehen an einem echten Aufbruch, der Mut, Zusammenhalt und handfeste Lösungen verbindet. Bremen kann und muss Vorreiter sein – für eine soziale Politik, die wirklich wirkt und allen Bürgerinnen und Bürgern gerecht wird.
Manfred Steglich
siehe auch hier: https://hb.bsw-vg.de/armut-bekaempfen-nicht-verwalten/